JULIA SEYR

The Art of Connecting/
Über das Verbinden der Dinge

06. 03. 2009

 

JULIA SEYR

 

 

Mir geht es in meiner Arbeit um die Formulierung von Emotionen und Zuständen. Ich denke über unsere Gesellschaft und Unterhaltungskultur nach - der soziale Aspekt eines Projektes ist wichtig. Kunst zu machen ist für mich der Ausdruck einer Ersatzhandlung, ähnlich einer Teufelsaustreibung um es auf die Spitze zu bringen. Trotzdem ist die Form wichtig, weil es wichtig ist wie ein Kunstwerk aussieht und wie es präsentiert wird.

Generell ist der Widerspruch von Unabhängigkeit und Abhängigkeit in meinem Leben groß. Meine Generation wird mit einer Wirtschaftskrise groß was nicht uninteressant ist, weil alle so wenig verdienen und auch irgendwie darunter leiden, dass es keine richtigen Jobs mehr gibt. Ich kann mich kaum an etwas orientieren, weil es keine Vorbilder gibt, weil alle irgendwie gestrandet sind. Das klingt so als ob ich sehr indoktriniert wurde - was vielleicht auch stimmt - aber es ist so ein Gefühl dass sich im Moment vieles ändert was Arbeit und das Leben betrifft. Ich will nicht pessimistisch klingen - vielleicht war das immer schon so - es ist nur so dass die Kunst, die von den Jungen produziert wird entweder kühl oder esoterisch ist.

Wie siehst Du Deine eigenen Arbeiten?

Eher als kühl, obwohl Esoterik hat auch ihren Reiz.

 

 

Du hast Kunst den Ausdruck einer Ersatzhandlung genannt. Das ist interessant.

Ja, Kunst ist eine Ersatzbefriedigung. Meistens stößt das die BetrachterInnen vor den Kopf, aber das gehört für mich dazu. Irritation ist ein wichtiger Punkt. Kunst kann eine Leere füllen, aber auch körperlich unangenehm sein, wie wenn man sich durch einen zu engen Gang quetschen muss. Ich kann Konzepte zu einer Arbeit formulieren aber es geht auch ohne. Es ist so wie mit dem Titel einer Arbeit: Ich glaube, dass Titel für Arbeiten auch Jahre nach ihrer Entstehung auftauchen können, oder Jahre vorher. 2008 heißt die Arbeit Ohne Titel und 2014 heißt sie dann Ein Spaziergang durch die Au und drei Jahre darauf wieder Ohne Titel.

Wie ist der Titel deiner Arbeit für Saprophyt zustande gekommen?

Der Titel der Ausstellung ist zugleich der Titel eines Albums von Jeff Mills aus dem Jahr 2000 - ein Künstler den ich mag. Ich habe mich für diesen Titel entschieden aufgrund des vierten Tracks dieses Albums, weil der Sound so kontrastreich ist. Mir ging es in der Arbeit die ich für Saprophyt entwickelt habe um Bezüglichkeit, darum wie man Verbindungen herstellt um daraus wiederum Ansätze für neue Arbeiten entstehen zu lassen.
Mich inspirieren sehr verschiedene Dinge zu meinen Arbeiten, Langeweile oder eine Zeit in der ich viel denken kann. Ich interessiere mich für Literatur, Film, Mode und Musik. Natürlich gibt es andere Dinge die mich inspirieren können wie Gespräche oder Wortfetzen die man auf der Strasse hört. Ich fühle mich jedoch am besten wenn ich Zeit für mich habe und wenn ich mit interessanten Leuten zusammen arbeiten kann. Die Arbeit für Saprophyt ist aus dem Tangramobjekt entstanden, das schon im Raum war. Das habe ich fotografiert und dann vektorisiert. Die Aufrisse dieser Graphiken bilden das Motiv.

 

JULIA SEYR


Du zeichnest auch Comics. Siehst Du sie als eigenständige Arbeit?

Im wissenschaftlichen Sinne sind meine Comic-Hefte graue Literatur. Aber das hält mich nicht davon ab sie zu machen. Da ich mich als Künstlerin sehe, müssen die Comics auch eine künstlerische Arbeit sein. Ich kann nicht sagen, dass die Comics wirklich anders funktionieren als ein Bild oder eine Installation, ich denke ja doch auch immer an ihre Nachhaltigkeit. Ich will, dass sie aufgehoben werden und dass sich ein Gesprächsthema aus ihnen ergibt. Comic-Hefte sind flache Malerei oder eine flache Installation, die auch in den Raum greifen soll.
Das besondere am Comic Zeichnen ist das man von einer linearen Erzählstruktur ausgeht und dann versucht sich aus diesem Korsett zu befreien indem man Tricks anwendet um unabhängiger zu werden. Manchmal ist ein Bild einer Geschichte wie ein gemaltes Bild, oder ich kann es mir größer vorstellen. Das sind die besonders schönen Momente beim Comic Zeichnen wenn ein Moment in der Zeit größer wird und länger anhält. Ich versuche mit den Comics Leichtigkeit zu vermitteln was mir aber nur bedingt gelingt weil Leichtigkeit meistens ein Schein ist. Ich finde, dass künstlerische Arbeiten leicht und spontan sein müssen, oder zumindest so aussehen sollten. Die Zeichnungen, die ich für Saprophyt gemacht habe, sind relativ spontan entstanden.

Was für mich auch noch besonders ist, ist dass ich nie wissen kann wo die Comic-hefte landen werden. Manche Leute, denen ich mein Heft gebe, werden es lesen und weglegen, manche werden es vielleicht wegschmeißen ohne es je gelesen zu haben. Der Idealfall wäre, dass sie in einem Raum herumliegen und auf diesen Raum wirken wie Bilder einer Ausstellung. Ich glaube das Comic Zeichnen kommt auch daher, dass ich nicht viel ausstelle und trotzdem versuche mit den Menschen um mich zu kommunizieren.
Und so wie Kunst können Comics eine Leere oder Langeweile füllen, zum Beispiel wenn man in der Straßenbahn sitzt. Statt aus dem Fenster zu sehen liest man einen Comic-Strip.


Julia Seyr, geboren 1980, lebt und arbeitet in Wien.

 

 

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